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Chronik der Gleiwitzer Hütte

1894

In der oberschlesischen Industriestadt Gleiwitz beschließen 127 Grün- dungsmitglieder die Konstituierung einer selbständigen deutsch-öster- reichischen Alpenvereinssektion. Im ersten Jahr ihres Bestehens zählt die Sektion Gleiwitz 158 Mitglieder.

1896

Die Sektion plant den Bau einer hochalpinen Schutzhütte. Unterstützt vom Rat des bekannten Alpinisten L. Purtscheller, fällt die Wahl des Hüttenplatzes auf das bis dahin touristisch unerschlossene Hirzbachtal bei Fusch am Fuße des Hohen Tenn.

1897

Der Empfehlung des Bezirkshauptmannes Stöckel aus Zell am See fol- gend, bestimmt man als Bauplatz eine lawinengeschützte Stelle am westlichen Abhang des Kammes zwischen „Messerfeldkopf“ und „Krapfbrachkopf“, ungefähr 500 m über der Hirzbachalm. Der ursprüng- lich vorgesehene Platz an der Mühlauer Hochalpe erwies sich als unge- eignet, weil die Wege zum Hochtenn und zum Hirzbachtörl zu weit abla- gen. Der italienische Wegebauunternehmer „Capo“ Comes errichtet auftragsgemäß einen neuen Weg von der Hirzbachalm zum vorgesehenen Standplatz der Hütte.

1898

Der Wegebau wird vorangetrieben, insbesondere die Verbindung zwischen
„Kesselfall-Hotel“ im Kapruner Tal und dem Hüttenbauplatz.

1899

Von hochwassergefährdeten Stellen wird die Trasse des Weges vom Dorf Fusch hinauf zur Hirzbachalm verlegt. Nach einer durchgehenden Verbreiterung ist der Weg nun mit zweirädrigen Sesselkarren zu befahren. Der von Baumeister Gärte aus Gleiwitz entworfene Bauplan der Hütte erfährt auf Anraten der aus Zell am See stammenden Herren Baumeister Mehnis, Bezirkshauptmann Stöckl und Bezirksingenieur Gassner eine grundlegende Überarbeitung. Im Juli beginnt Baumeister Mehnis mit dem Bau der Hütte. Als Baumaterial eignet sich das an Ort und Stelle gefundene grau schimmernde Paragneis-Gestein. Trotz heftiger Schneefälle im September ist der Hüttenrohbau im Spätherbst fertiggestellt und eingedeckt.

Foto der Gleiwitzer Hütte aus dem Jahr 1899

Bildkommentar:
Die historische Postkarte vom Herbst 1899 zeigt die Gleiwitzer Hütte im Rohbau.

1900

Die Fertigstellung der neuen Hütte dauert nur wenige Wochen, da der größte Teil der Innenausstattung während des Winters im Tal vorbereitet wird. Wie geplant kann für den 22.-24. Juli 1900 zur feierlichen Eröffnung der Gleiwitzer Hütte eingeladen werden. Die Bewirtschaftung des Hauses übernimmt Gastwirt Martin Mühlauer vom Dorf Fusch, ein Mitbesitzer der Hirzbachalm. Das neue Wegenetz besitzt eine Länge von 21 km.

Die Finanzierung der Bauvorgaben erfolgte größtenteils durch Spenden und die Ausgabe von Darlehensscheinen. Die Bevölkerung aus Fusch unterstützte die Sektion Gleiwitz durch Abtretung von Nutzungsrechten, durch die Beteiligung an den Wegebaukosten Fusch – Hirzbachalm und durch die Überlassung von benötigtem Baumaterial. Für das Projekt „Gleiwitzer Hütte“ fielen Kosten in folgender Höhe an:

Bauausführung der Hütte: 17.351,35 Mark

Wegebau: 25.889,50 Mark

1901

Am 17. Juli erfolgt die offizielle bauliche Abnahme der Hütte, nachdem kleinere Veränderungen am Kellerbau und der Deckenkonstruktion notwendig waren. Die Hütte bietet Unterkunft für 25 Personen (max. 38). Für die Sommermonate wird ein fest angestellter Wegemacher mit der Erhaltung des neuen Wegenetzes beauftragt. Dank großzügiger Spen- den einzelner Sektionsmitglieder ist die Hütte auf das beste ausgestattet. Einige dieser Spenden erfüllen noch heute ihren Dienst.

1902

Nach intensiver Fremdenverkehrswerbung besuchen im Laufe des Jahres bereits 395 Personen (darunter 63 Damen, wie im Tätigkeitsbericht ausdrücklich erwähnt wird) die Gleiwitzer Hütte. Ausführliche Wege- und Hüttenbeschreibungen finden sich nun auch schon in Baedecker’s- und Meyers-Reisehandbüchern.

1903

Auf Wunsch des Erbprinzen von Loewenstein-Wertheim-Freudenberg verlegt man den Weg durch den sog. „Stöckelkamin“ hinauf zum Bau- ernbrachkopf weiter nach Süden. Dadurch werden die jagdlichen Interessen im Bereich des Krapfbrachkopfes nicht mehr gestört, und zudem verkürzt sich der Anstieg zum Hohen Tenn um eine halbe Stunde.

Die Sektion Gleiwitz besitzt im Gebiet der Hütte laut Grundbucheintra- gungen folgende Grundstücke:

– Hüttenbauplatz 5 753 m2
– Hirzbachalm (am Brunnen) 1 438 m2
– Kapruner Tal (nahe der Harleitenalpe) 719 m2

1906

Der 1. Vorsitzende der Sektion Gleiwitz und Initiator des Hüttenbaues, Landgerichtsrat Dr. Max Hirschel, stirbt am 15. September auf der Heim- reise von der Gleiwitzer Hütte. Ihm zu Ehren erhält der im Folgejahr gänzlich fertiggestellte hochalpine Weg von der Hütte über den „Kemp- senkopf“ zum Mooserboden die Bezeichnung „Max-Hirschel-Weg“.

1908

Anstelle der baufällig gewordenen Holzhütte, die ursprünglich den Hand- werkern beim Hüttenbau als Unterkunft diente, wird ein gemauerter Maultierstall errichtet (später Umbau zum Winterraum).

1912

Im Winter brechen Wilderer in die Hütte ein und beschädigen sie erheb- lich. Fürstlich Loewensteinsche Jäger, in deren Jagdgebiet sich die Hütte befindet, schlagen die Einbrecher in die Flucht.

1914

bis

1918

Während des 1. Weltkrieges ist die Hütte nicht bewirtschaftet. Deserteu- re, die sich hier versteckt halten, richten Sachschaden an, im großen und ganzen übersteht die Hütte die Kriegsjahre jedoch unbeschadet. Im letz- ten ausführlichen Tätigkeitsbericht der Sektion Gleiwitz aus den Jahren 1915/16 ist über das Schicksal der Hütte nichts vermerkt. Eine kurze Notiz besagt jedoch, dass der Hüttenwirt, Sebastian Herzog, zum Kriegsdienst eingezogen worden ist.

1919

Alle Wege, außer der Verbindung Fusch-Hirzbachtal, befinden sich in de- solatem Zustand. Eine Bewirtschaftung der Hütte ist unmöglich.

1920

Nach der Reparatur der wichtigsten Wege kann Sektion Gleiwitz die Hütte nach fünfjähriger Pause wieder eröffnen.

1925

Die Sektion Gleiwitz, die als einzige oberschlesische Sektion die schwere Nachkriegszeit überstanden hat, feiert das 25jährige Bestehen der Gleiwitzer Hütte. Infolge der Absenkung von Deckenbalken sind kleine bauliche Veränderungen notwendig.

1929

Mit 901 Besuchern erlebt die Hütte ihre Blütezeit. Der vorangegangene harte Winter hat an Hütte und Wegen Beschädigungen verursacht.

1932

Das Schindeldach der Hütte wird erneuert.

1933

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ist die Aufnahme jüdi- scher Mitglieder in die Sektion Gleiwitz untersagt. Der Vorsitzende der Sektion, Dr. Wilhelm Lustig, tritt daraufhin aus der Sektion aus. Aus den Ehrentafeln, die noch heute im Gastzimmer der Hütte hängen, entfernt man Fotografien jüdischer Vorstandsmitglieder.

1934

Der „Max-Hirschel-Weg“ wird in „Gleiwitzer-Hüttenweg“ umbenannt.

1939 bis 1945

Über das Schicksal der Hütte im Zweiten Weltkrieg ist so gut wie nichts bekannt. Sicher ist nur, dass Hans Langegger die Hütte auch während der Kriegsjahre bewirtschaftet hat. Außerdem soll sie von Gruppen der Hitler-Jugend genutzt worden sein.

1946

Die ÖAV Sektion Zell am See übernimmt neben anderen auch die Gleiwitzer Hütte zur Betreuung. Wie alle „reichsdeutschen“ Hütten wird auch sie umbenannt und erhält den Namen „Hoch-Tenn-Hütte“.

1948

Die oberösterreichische Sektion Rohrbach/Mühlkreis übernimmt die Be- treuung der Gleiwitzer Hütte.

1951

Die Sektion Amstetten übernimmt die Hüttenbetreuung. Der Zustand der Hütte ist desolat. Dank des Engagements des Hüttenwartes Sepp Hickersberger können noch im gleichen Jahr die wichtigsten Repa- raturen ausgeführt werden. Sektionsmitglieder spenden Bettwäsche, Ge- schirr und Decken, so dass am 12. Juni die Hütte eröffnet werden kann.

1952

Mit zweijähriger Verspätung feiert man am 13. Juli das 50jährige Hütten- jubiläum, nachdem zuvor eine unaufschiebbare Dachreparatur größeren Umfangs durchgeführt worden ist. Die Katholische Landjugend Zell am See errichtet ein Gipfelkreuz auf dem Hohen Tenn.

Nach einem Blitzschlag, der die Dachkonstruktion beschädigte, aber glücklicherweise keinen Brand auslöste, muß auch die Blitzschutzanlage erneuert werden. Wie sich herausstellte, hatten „Buntmetallsammler“ die zur Erdung notwendige, eingegrabene Kupferplatte gestohlen.

1954

Unter Vorsitz von Dr. Franz Wanke wird die Sektion Gleiwitz von 25 Mitgliedern in Lübeck wieder ins Leben gerufen. Die Sektion erhält die Gleiwitzer Hütte zurück, Treuhänder bleibt jedoch der ÖAV.

1962

Der Österreichische Alpenverein wird als Eigentümer der Gleiwitzer Hütte ins Grundbuch eingetragen.

1964

Die Hütte bleibt bis Juli 1965 geschlossen, da die Sektion Gleiwitz keinen Bewirtschafter finden kann.

1966

Der Tittmoninger Dr. Karlheinz Springer, Mitglied der Sektionen Gleiwitz, , stellt erste Verbindung der Tittmoninger Alpenvereinsgruppe (damals noch Ortsgruppe der AV-Sektion Laufen) zur Gleiwitzer Hütte her.
20 Tittmoninger besuchen am 9./10. Juli erstmals die Hütte.

1967

Die über Deutschland verstreuten Mitglieder der Sektion Gleiwitz sind aus organisatorischen Problemen nicht mehr in der Lage, die Hütte allein zu betreuen. Der DAV stellt einer „zukünftigen„ Sektion Tittmoning die Hüttenbetreuung in Aussicht. Am 7. September erfolgt unter Vorstand Josef Miesgang die Gründung der eigenständigen Sektion Tittmoning.

1968

Der DAV löst die Hütte vom ÖAV ab. Die Sektionen Gleiwitz und Tittmoning vereinbaren eine gemeinsame Hüttenbetreuung. Mit viel Engagement beginnen die Tittmoninger sofort mit der Hüttenrenovierung und der Reparatur des Wegenetzes. Aus organisatorischen Gründen ist dabei die Unterstützung durch die Sektion Gleiwitz gering.

1969

Die veralteten sanitären Einrichtungen werden erneuert.

1971

Ein Hubschrauber des Österreichischen Bundesheeres befördert erstmals Baumaterial zur Hütte. Nach dem Bau einer neuen Wasserleitung kann der Waschraum-Neubau fertiggestellt werden.

1972

Der DAV bietet die Gleiwitzer Hütte der Sektion Tittmoning zum Kauf an. Nach einer Sammelaktion, die DM 10.189,– einbringt, kann am 16.12.72 die Ablösesumme von DM 6.361,– an den DAV bezahlt werden.

1973

Nach der notariellen Beurkundung und Grundbucheintragung ist die Sektion Tittmoning nunmehr alleiniger Besitzer der Hütte. Ein Anschluss der Sektion Gleiwitz an die Sektion Tittmoning scheitert, aus Uneinigkeit eines zukünftigen Sektionnamens. Zum 50jährigen Bestehen des Alpenvereins in Tittmoning und zum Gedenken an alle verstorbenen Mitglieder der Sektion errichtet man auf dem Rettenzink ein Gipfelkreuz.

1982

Die Sektion Gleiwitz löst sich auf. 32 Mitglieder der traditionsreichen Sek- tion gehören seither in der „Gruppe Gleiwitz“ der Sektion Tittmoning an.

1987

Die Nachbarsektionen Neuötting/Altötting und Trostberg, die beide keine allgemein zugängliche Hütte betreuen, übernehmen eine sog. „Hütten- patenschaft“ und führen seither ihre vom DAV erhobenen Hüttenumlagen direkt an die Sektion Tittmoning ab.

Foto: 90 Jahrfeier der Gleiwitzer Hütte

(Bildkommentar = Text der Rubrik 1990)

1990

Im Rahmen eines kleinen Festaktes mit Bergmesse feiert man am 22. Juli 1990 das 90jährige Bestehen der Gleiwitzer Hütte.

1991

Die Detailplanungsarbeiten für eine mechanisch-biologische Abwasser-reinigungsanlage an der Gleiwitzer Hütte beginnen.

1993

Die Abwasserreinigungsanlage nimmt am 03. August ihren Betrieb auf. Dank Einsparungen reduzieren sich die veranschlagten Kosten von DM488.000.- auf DM 420.000.-. Trotz vieler Zuschüsse stellt der von der Sektion Tittmoning zu tragende Restbetrag eine große Belastung dar.

1996

Planung des Kleiwasserkraftwerkes zur Erzeugung elektrischer Energie .

1997

Fertigstellung und Inbetriebnahme des Kleinwasserkraftwerkes. In Spitzenzeiten liefert der Generator eine elektr. Leistung von 11,6 kW.

1999

Die Sektion Tittmoning erhält den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid für das Kleinwasserkraftwerk in Form eines „Verhaimungsprotokolles“.

2000

Mit einer Bergmesse feiert die Alpenvereinssektion Tittmoning am 23. Juli 2000 das 100jährige Bestehen der Gleiwitzer Hütte.

Die Chronik wurde erstellt von Harald Hüwel und Dieter Koch.
Informationen stammen im wesentlichen aus gesammelten Unterlagen
vom Ehrenvorsitzenden der DAV Sektion Tittmoning, Oswald Schauer.