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Bergtouren in der Schobergruppe

Landschaftsjuwele im Schatten des Glockners

Südlich des Großglockners fristet die Schobergruppe seit jeher ein Schattendasein. Dabei wurde sie schon als „Westalpen des kleinen Mannes“ und „Edelstein im Mosaik der Alpen bezeichnet.Titulierungen, die allemal Respekt zollen und eine Ahnung von der großartigen Ursprünglichkeit dieser südlichen Tauernvorlage im Grenzgebiet zwischen Osttirol und Kärnten vermitteln.Dazu gehört aber auch brüchiges Gestein und loser, erdiger Schutt auf Toteisresten – an Stellen, wo vor Jahrzenten noch prächtige Gletscher glitzerten.

In diesem Gebiet machten wir dieses Jahr unsere Hüttenrunde. Die Wettervorhersage für die kommenden Tage war zwar nicht stabil, dennoch hofften wir auf ein paar schöne Tage. Über den Felbertauern und Lienz führte unsere Anfahrt tief hinein ins Debanttal nach Seichenbrunn, unserem Ausgangspunkt.

Das Wetter war am ersten Tag wie erwartet, mäßig erfreulich. Regenfest ausgerüstet starteten 14 Mitglieder vom DAV Tittmoning zunächst zur Lienzer Hütte wo wir eine Pause einlegten. Von der Lienzer Hütte zur Hochschober Hütte führen zwei Wege. Wir entschieden uns wetterbedingt für die kürzere Variante und wanderten zunächst den sanft ansteigenden Franz-Keil-Weg in westlicher Richtung hinauf. Vorbei an Bachläufen und kleinen Seen erreichten wir das östliche Leipnitztörl ( 2591m ). In engen und steilen Serpentinen gelangten wir zum Gartlsee und über Blockgelände in das westliche Leipnitztörl (2573m), hier erleichterten Drahtseile und Eisenbügel den Abstieg durch eine steile Wegstelle. Von mehreren Regenschauern heimgesucht, erreichten wir nach drei Stunden ziemlich durchnässt die Hochschoberhütte, unseren ersten Stützpunkt.

Vom sehr freundlichen Hüttenwirt Harry wurden wir schon erwartet und unsere Gruppe wurde bestens versorgt.

Das Wetter am Tag darauf war auch noch nicht wesentlich besser, so dass auf die geplante Tour auf den Hochschober wegen Nässe, Nebel und auf abraten vom Hüttenwirt verzichtet wurde. Der Wetterbericht hatte ab Mittag gute Verhältnisse angesagt und so entschieden wir uns für den anspruchsvolleren Übergang über die Mirnitzscharte zur Lienzer Hütte.Von der Hütte marschierten wir durch das schmale gewundene Barrenkar unter den fast senkrechten Wänden der Prijakte hinauf zu einem kleinen Bergsee. Hier teilte sich die Gruppe. Ein paar machten einen Abstecher zum Barrensee und zum ersten 3000er, den Hohen Prijakt (3064m). Die restliche Gruppe ging weiter steil bergauf zur Mirnitzscharte (2743m). Nieselregen, Nebelschwaden und zwischenzeitliche Sonnenfenster begleiteten uns auf dem Weg. Über Blockwerk und brüchiges Gestein stiegen wir eine steile Gratrippe hinunter zum Mirnitzboden, wo uns ein Pfad am Mirnitzbach entlang wieder zur Lienzer Hütte führte.Wir gönnten uns eine kurze Pause, da noch eine lange Wegstrecke auf uns wartete.

Bei mittlerweile sonnigem Wetter wanderten wir auf dem Zinkeweg konstant ansteigend über Almböden entlang der Bergflanke. Es wurde zunehmend steiler und in engen Serpentinen wand sich der Steig nach oben in die Untere Seescharte (2533m). Hier hatten wir bereits einen wunderbaren Blick auf unser Tagesziel. Uns zu Füßen lag der schönste Fleck der Schobergruppe, die Wangenitzseehütte (2508m) mit dem Kreuzsee und dem Wangenitzsee, einer der größten und tiefsten Gebirgsseen in den Hohen Tauern. Über Blockwerk führte uns der Weg bergab und zwischen den beiden tiefblauen Seen zog sich unser Weg hinüber zur höchstgelegenen Schutzhütte der Schobergruppe. Auf der Hüttenterasse genossen wir mit erfrischenden Getränken noch die letzten Sonnenstrahlen.

Am folgenden Tag ging es auf das 3283 Meter hohe Petzeck, dem höchsten Berg der Schobergruppe. Das Wetter zeigte sich am Morgen von seiner besten Seite.

Mit leichten Rucksäcken wanderten wir von der Hütte um den SO-Rücken des Kruckelkopfes herum.Danach querten wir teils steile Hänge die ins Kruckelkar hinaufzogen. Wir überwanden eine Geländestufe, selbstverständlich über mühsam-steiles Blockgelände, wie bei fast allen Bergen der Schobergruppe. Über die Reste eines kleinen Plateaugletschers und einen mäßig geneigten Schrofenhang erreichten wir das 3283 Meter hohe Petzeck. Voller Freude gratulierten wir uns zum Gipfelerfolg. Belohnt wurde die Gruppe mit einer atemberaubenden Aussicht auf Großglockner, Großvenediger, den nahen Hochschober, Glödis und noch viele weitere Dreitausender der Hohen Tauern. Nach einer ausgiebigen Gipfelrast ging es die spannende Wegführung im wilden Gelände mit der gebotenen Vorsicht wieder zurück.

Auf der Hütte wurde eine Pause eingelegt und das deponierte Gepäck verstaut.

Anschließend wanderten wir zunächst oberhalb des Kreuzsees auf einem schön angelegten Felssteig in das steil ansteigende Kreuzseeschartl (2810m) hinauf. Das Wetter trübte sich zusehends ein und um die umliegenden Gipfel zogen dichte Nebelschwaden. Der Blick zum Himmel stimmte uns bedenklich, denn es wurde immer dunkler und in der Ferne glaubten wir Donnergrollen zu hören. Wir querten die Westflanke des Hohen Perschitzkopfes und stiegen teils ausgesetzt über einen Felsabsatz bei einsetzendem Regen ins Perschitzkar ab.

Um unsere Gehzeit um eine Stunde zu verkürzen, nahmen wir den Weg über die Hohe Gradenscharte (2803m). Regen, Wind und Nebel machten diesen Wegabschnitt zum ungünstigsten Zeitpunkt nicht gerade angenehm. Der Abstieg in den steinschlaggefährdeten, seilversicherten sehr steilen Nordhang verlangte höchste Konzentration und Trittsicherheit. Nach den letzten Eisenklammern erreichte die Gruppe wieder „festen „ Boden und kämpfte sich noch ein steiles durchnässtes Schneefeld hinunter. Dieses flachte später ab und auf einem breiten Moränenrücken ging es zielstrebig auf den türkisblauen Gradensee und die urgemütliche Adolf-Nossberger-Hütte ( 2488m), im Herzen der Schobergruppe zu. Mir fiel ein Stein vom Herzen als alle die idyllisch gelegene Hütte erreichten.

Nach diesem Bergtag wurde am Hüttenabend dementsprechend gefeiert.

Am nächsten Tag führte unser Weiterweg am malerisch gelegenen Gradensee entlang. Im Zikzak schlängelte sich der Pfad über vom Gletscher flach geschliffene Felsplatten am Wasserfall entlang aufwärts bis zur Niederen Gradenscharte (2796m) mit dem- wunderbar eingebettet – noch eisbedeckten See. Den am Weg liegenden Keeskopf mit 3081 Meter, einer der „Seven Summits“ im National Park Hohe Tauern, ließen sich die jungen Wilden als nahes Gipfelziel nicht entgehen.

Durch einen steilen Schutthang stiegen wir teils drahtseilversichert in das Steinkar ab. Auf dem Nossberger Weg marschierte die Gruppe Serpentine um Serpentine in sanftes Almgelände zum Einkehrschwung zur Lienzer Hütte hinab.

Mit Osttiroler Schmankerl kulinarisch gestärkt wanderten wir am Naturlehrpfad entlang des rauschenden Debantbaches talauswärts. Rechtzeitig, bevor uns die ersten Regenschauer trafen, erreichten wir Seichenbrunn unseren Ausgangspunkt.

Trotz des nicht ganz optimalen Wetters liegen vier erlebnisreiche und unvergessliche Tage in einer harmonischen Gruppe hinter uns, brenzlige Situationen wurden gemeinsam bestens gemeistert.

Wir sind uns sicher, eines der ursprünglichsten Osttiroler Täler kennengelernt zu haben.

Rita Kramhöller